Mehr als Tools und Trends

Das Medienzentrum der TU Dresden organisierte eine deutsch-belarussische Winterschule zum Thema Digitalisierung von Bildung, sozialem und wirtschaftlichem Engagement im dritten Sektor. Das T3W-Projektteam teilte seine Erfahrungen und sein Wissen mit den internationalen Teilnehmern. Auch die weißrussischen Proteste spielten eine Rolle.

Klischees, Missverständnisse, Vorurteile: Fanny Braun und Tanja Belchik haben die Nase voll davon. Sie wollen interkulturelle Trainings für junge Menschen auf der ganzen Welt anbieten, um sie weiterzubilden und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu vernetzen. Einen Businessplan gibt es schon, obwohl sie sich vor ein paar Wochen noch gar nicht kannten. Braun studiert Politik an der Universität Münster, Belchik Informatik und Radioelektronik an der Belarussischen Staatlichen Universität für Informatik und Radioelektronik. Ihr Projekt haben sie mit zwei weiteren Personen in vielen Zoom-Sitzungen entwickelt.

Braun und Belchik sind 2 von 25 Studenten, die an der Winterschule "Digitale Medienformate in Bildung und Unternehmertum" teilgenommen haben. Im Mittelpunkt des vierwöchigen Projekts standen die Potenziale der Digitalisierung für studentische Initiativen, Bildungsprojekte und soziale Unternehmen. "Wir wollten zeigen, wie soziales Engagement in schwierigen Zeiten funktioniert und motivierte Menschen miteinander verbindet", sagt Organisatorin Tanja Dashuk vom Medienzentrum der TU Dresden.

Wie entwickelt sich der Markt für soziale Unternehmen? Welche Werkzeuge und Ansätze gibt es für die Kommunikation mit der Außenwelt oder der Organisation des Teams? Mit solchen Fragen beschäftigten sich die Referenten, darunter Professor Eric Schoop vom Lehrstuhl für Medieninformatik und Professor Thomas Köhler, Leiter des Medienzentrums der TU Dresden. "Die Digitalisierung geht mit neuen Sozialformen einher", sagt er. "Deshalb ist eine geeignete Organisationsdidaktik vor dem Hintergrund eines genauen Verständnisses von sozialen und kommunikativen Prozessen notwendig." Die Winterschule hat auch vom Projekt "The Third Way" profitiert, in dem ein neuer Lehrplan für Sozialunternehmen entwickelt wird. Dank dieser strategischen Partnerschaft konnten die jungen Initiatoren von Sozialunternehmen an der Workshopreihe von Dr. Allan Lawrence von Projects Beyond Borders und dem Organisational Learning Centre in Großbritannien teilnehmen. 

Zwischen den Seminaren entwickelten die Schüler in Kleingruppen eigene soziale Projekte, die sie bei der Abschlussveranstaltung vorstellten. Auch wenn Braun und Belchik ihre Idee vorerst nicht verwirklichen werden, sind sie von der Winterschule begeistert. "Das waren exklusive Vorlesungen nur für uns", sagt Braun. Sie zeigten ihr die Möglichkeiten, die das Internet bietet, aber auch, wie viel Vorbereitung und Wissen für den Online-Unterricht nötig sind. Belchik pflichtet ihr bei, aber: "Die Winterschule war für mich auch eine Flucht aus dem Alltag in Weißrussland."

Dieser weißrussische Alltag war neben Corona der Grund für die digitale Winterschule, obwohl eine analoge Sommerschule geplant war. Für dieses Projekt erhielt Dashuk ein Stipendium aus dem DAAD-Programm "Sommerschulen im Ausland". Da sie selbst aus Weißrussland stammt, war ihr Heimatland ein naheliegendes Partnerland. Politik und die Proteste waren kein explizites Thema, aber die Winterschule sollte ein Raum für informellen Austausch und neue Perspektiven sein. "Ich habe Leute in meinem Alter kennengelernt, die in einer ganz anderen politischen Situation leben und studieren", sagt Braun. Deren Optimismus war "sehr inspirierend".

Die Situation in Belarus beeinflusste auch die von den Teilnehmern entwickelten Projekte. Das Ziel von "Media Literacy in Belarus" war beispielsweise, die Verbreitung von Desinformationen einzudämmen. Die vier belarussischen Initiatoren wollten Flyer an ältere Bürgerinnen und Bürger verteilen, um die Entstehung von Fake News zu erklären und über eine reflektierte Mediennutzung zu informieren. Den Organisatoren und Dozenten der Winterschule gefiel die Idee so gut, dass sie sie auch in Zukunft unterstützen wollen. "Die Flyer sind bereits erstellt", so Dashuk. Jetzt brauchen sie noch Anwälte, die die Texte prüfen und dafür sorgen, dass sie nicht missverstanden werden und ihre Macher ins Gefängnis kommen. "Das Projekt zeigt", so Dashuk, "dass in Belarus niemand mehr an der Seitenlinie steht."

von Luise Anter, Übersetzung aus dem Deutschen von Hans Leonhardt

Original: Dresdner Universitätsjournal Nr.2 2021, S. 4